Erste klinische Erfahrungen bei Erstgebärenden mit dem neuartigen Geburtstrainer Epi-no®
Studien-Zusammenfassung *

von Stefanie Barreto-Nunes

Während bei rund zwei Drittel aller Erstgebärenden eine Episiotomie durchgeführt wird, beobacht man bei Multiparae im Schnitt nur eine Rate von 36%. Erklärt wird diese geringere Rate mit einer Vordehnung des Geburtskanals bei der Erstgeburt. Diese Überlegung hat zur Entwicklung des insuffulierbaren, ballonförmigen Vaginaldilatators "Epi-No®" geführt, der eine Primipara durch Training zu einer "funktionellen Multipara" machen soll. Seit Oktober 1999 ist dieser Vaginaldilatator "Epi-No®" in deutschen Apotheken erhältlich.

Mit Hilfe dieses Geburtstrainers soll der Geburtskanal schonend mechanisch vorgedehnt und damit die Rate an Scheidendammschnitten gesenkt und das fetal outcome verbessert werden.

Die Effektivität dieses Geburtstrainers wurde von Mai 1998 bis August 1999 in einer einfachblinden, prospektiven Pilotstudie von J. Hillebrenner et. Al. * untersucht.

Zur Teilnahme an der Studie konnten 50 Schwangere gewonnen werden, die folgende Einschlusskriterien ohne ein einziges Ausschlusskriterium aufwiesen:
Erstgebärend, beziehungsweise funktionell erstgebärend (nach primärer Sectio cesarea oder Abort vor der 21 SSW), und keinen Risikofaktor, der einer spontanen vaginalen Entbindung entgegenstehen würde. Nicht zugelassen wurden Zweit- und Multiparae, Frauen mit mindestens einem Risikofaktor, der eine vaginale Entbindung unwahrscheinlich machen würde, mit vaginalen Infektionen, nach Blasensprung, einem Gestationsalter vor der 38.SSW, oder Frauen, bei denen ein Verdacht auf eine Latexallergie vorlag.
Nachträglich wurden Schwangere aus der Studie ausgeschlossen, die weniger als 3 Tage mit "Epi-No®" trainiert hatten.

Berücksichtigt wurden in der exponierten Gruppe (EG) Frauen, die ab der 38. SSW mindestens 3 Tage mit dem Geburtstrainer Epi-No® trainiert hatten. Diese wurden mit Frauen der nicht exponierten Gruppe (NEG) verglichen, die im gleichen Zeitraum im Klinikum Rechts der Isar spontan und nicht operativ entbunden hatten.

Die Datenerhebung erfolgte mittels Partogramm, Geburtenbuch und Fragebogen und wurde unter Bildung von Matched Pairs getrennt für Frauen der EG und NEG statistisch ausgewertet. Dabei zeigte sich ein protektiver und positiver Effekt für die Gruppe der trainierten Frauen.

Im Gegensatz zur NEG, bei der die Episiotomierate bei 82% lag, mussten bei der EG nur bei 47% ein Scheidendammschnitt durchgeführt werden.
So konnte die Episiotomierate im Vergleich der beiden Gruppen um 43% gesenkt werden und durch das Training die Rate an Dammrissen sogar halbiert werden.
Letztlich lag die Rate der Frauen, die mit intaktem Damm geboren hatten, bei der NEG nur bei 9% (4/45), während in der EG 47% (22/45) alle Frauen mit intaktem Damm entbanden.

Die Austreibungsphase lag bei den trainierten Frauen im Mittel bei 29 Minuten, während sie bei den untrainierten Gebärenden im Schnitt 54 Minuten betrug.
In der EG konnte ein im Durchschnitt höherer 1-Minuten-Apgar-Wert bei den Neugeborenen beobachtet werden, was für eine geringere Belastung des Kindes spricht und zu einer geringeren perinatalen Morbidität führt.

Unter anderem konnte auch gezeigt werden, dass im Mittel eine längere Trainingsdauer auch zu einer geringeren Episiotomierate in der EG führte. So hatten Frauen, die ohne Dammschnitt entbanden, zuvor durchschnittlich 11 Tage trainiert - im Schnitt 2 Tage länger als die Frauen, bei denen eine Episiotomie durchgeführt werden musste.

Auch der Verbrauch an Schmerzmedikamenten lag bei den trainierten Frauen wesentlich unter dem der untrainierten. So war zum Beispiel die Rate an Periduralanästhesien bei der NEG mit 36% fast doppelt so hoch, als bei der EG mit 16%.

Letztlich war auch die Akzeptanz des Trainings mit 84% bei den Frauen sehr hoch, die anhand von Fragebögen bei den Studienteilnehmerinnen ermittelt wurde.

Fazit: Insgesamt kamen die Frauen mit dem Vaginaldilatator gut zurecht, was sich an dem niedrigen Schmerzmittelverbrauch, sowie der großen Akzeptanz der Anwendung zeigt. Rein medizinisch, anhand dieser geringen Fallzahlen betrachtet, senkt die Anwendung des "Epi-No®" wohl tatsächlich die Rate an spontanen Dammrissen und Episiotomien. Es stellt sich allerdings die (Hebammen-)Frage, ob man anhand eines Gerätes, ohne sich wirklich selbst anzufassen, auch die eigene Körperwahrnehmung schult....

Es konnte also de facto ein positiver Einfluss des Trainings mit dem Vaginaldilatator in dieser Pilotstudie gezeigt werden. Eine weitere Bestätigung muss nun an Hand von multizentrischen Studien mit höheren Fallzahlen durchgeführt werden.

* Erste klinische Erfahrungen bei Erstgebärenden mit einem neuartigenGeburtstrainer Epi-no - J. Hillebrenner, R. Schuchart, M. Schelling, K.T.M. Schneider, Klinik für Gyn. und Geburtshilfe, Klinikum rechts der Isar, München, S. Wagenpfeil am Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie der tech. Uni München, Abteilung für Perinatalmedizin, Frauenklinik und Poliklinik rechts der Isar der tech. Universität München, Ismaninger Strasse 22, 81675 München

Stefanie Barreto-Nunes ist Hebamme in Nürnberg. Ihre Zusammenfassung bezieht sich ausschliesslich auf die genannte Studie, sie gibt nicht die Meinung der Autorin wieder.

 


Unser Kommentar zur Studie:

  

Die o.g. Studie halten wir für wissenschaftlich nicht haltbar. Als reiner Bericht zur ersten Erfahrung mag sie wohl durchgehen, wird allerdings von der Herstellerfirma als verkaufsfördernde Referenz-Studie benutzt. Damit entsteht bei Laien (potentiellen Käuferinnen) der Eindruck, dass weitreichende wissenschaftliche Erkenntnisse aus der geburtshilflichen Praxis vorliegen. Das ist jedoch nicht der Fall.

Bei dem genannten "Geburtstrainer" (passend zur modernen Fitnessfrau) handelt es sich um einen sogenannten "insufflierbaren Vaginaldilatator" - auf Deutsch: ein Scheidenerweiterungsinstrument zum Aufpumpen.

Der verständliche Wunsch schwangerer Frauen, ihr erstes Kind ohne Episiotomie zu gebären, hat einfallsreiche und geschäftstüchtige Angehörige der medizintechnischen Industrie auf die Idee gebracht, ein "Gerät" auf den Markt zu bringen, welches verspricht, dass frau bei regelmässiger Anwendung keine Episiotomie braucht und ausserdem die Angst vor der Geburt verliert. Ganz gezielt wird in der Werbung mit der Angst der Frauen (und deren Partnern!) vor einem Dammschnitt und den eventuellen Folgen (Vernarbung, Schmerzen, Sexualprobleme, Inkontinenz u.a.) spekuliert. Die völlig unsachliche (bis falsche) Darstellung potentieller Gefahren wie "Dammtrauma, Beeinträchtigung des Liebeslebens, Gewebeschädigung" u.a. kann man allerdings nur als den Versuch bezeichnen, Frauen für dumm zu verkaufen.

Der Dilatator soll laut Anweisung der Hersteller in den letzten Wochen der SS durch ein immer grösseres Volumen (bis Kindskopfgrösse) die Vagina entsprechend vorbereiten und vordehnen.

Aus der Gebrauchsanweisung:

"Training mit EPI·NO

In den letzten drei Wochen vor der Geburt wird der Ballon in täglichen Übungen für ca. 15 Minuten in die Scheide eingeführt, aufgepumpt und wieder herausgedrückt.
Durch die schrittweise Steigerung der Ballongröße kann die werdende Mutter ganz individuell und schonend ihre Muskeln trainieren sowie ihr Gewebe elastischer machen.
Ideal ist es, wenn Sie nach etwa zwei Wochen Training in der Lage sind, den auf einen Durchmesser von ca. 10 cm (entspricht in etwa 32 cm Umfang) aufgepumpten Ballon aus der Scheide zu drücken.
Neben diesen Dehnungsübungen können Sie mit EPI·NO aber auch die Austreibungsphase einüben bzw. die Beckenbodenmuskulatur stärken und trainieren."

Das einfache Standard-Modell mit dem glücklichen Namen "Delphin" in wasserblau (warum blau und nicht lila, meine Herren J?) kostet immerhin zwischen 75 und 89 Euro, verständlicherweise wird es nicht von den Krankenkassen finanziert. Wer es etwas anspruchsvoller möchte, bekommt die Ausführung "Delphin Plus" oder das Modell "Libra" (wie befreiend!) ab satten 139 Euro.

Kompletter Unfug und üble Geldmacherei!

Wir halten dieses Gebilde für eine völlig überflüssige und diskriminierende Innovation, die dazu angetan ist, das Vertrauen von schwangeren Frauen in den eigenen Körper zu untergraben.

Der weibliche Körper ist von Natur aus in der Lage, eine normale Geburt zu bewältigen, in den meisten Fällen und Dank der Hebammenkunst auch ohne Dammschnitt. Vorbereitende und unterstützende Massnahmen wie die Dammmassage (auch in angenehmer partnerschaftlicher Gemeinsamkeit anzuwenden) können dazu beitragen, dass die Episiotomie in vielen Fällen auch bei Primiparae unnötig ist. Dies wird von vielen Hebammen empfohlen und vermittelt sicherlich ein angenehmeres Gefühl, als ein dildoähnliches Kunststoffgebilde in die Vagina einzuführen, aufzupumpen und nach einer Viertelstunde herauszupressen.

Die von Hebammen geleitete Wochenbettgymnastik und die Anleitung zum regelmässigen Beckenbodentraining ist effizient und ausreichend, um spätere Probleme (Senkungen, Prolaps, Inkontinenz) zu vermeiden. Ein weiterer wichtiger Faktor zur Vermeidung von späteren Schäden der weiblichen Genitalorgane ist eine gute Geburtshilfe, insbesondere was die Leitung der Austreibungsperiode und den Dammschutz angeht.

Die in der "Studie" genannten Zahlen bezüglich der erzielten "Epi-No-Rate" werden bei guter Geburtshilfe nachweislich auch erreicht bzw. unterschritten! - und zwar ohne Einsatz dieses sehr fragwürdigen Trainingsgerätes. Die Verfasser geben eine Episiotomierate von 42% bei Erstparae nach Anwendung von Epi-No an, wobei auch eine nur dreimalige Anwendung Berücksichtigung findet...

Wir wünschen uns im Interesse der Frauen, dass in Zukunft solche verkaufsfördernden Publikationen von Seiten der Mediziner unterbleiben. Hier ist Kritikfähigkeit gefragt. Geburtsmediziner dürfen sich nicht als Handlanger - oder Nutzniesser - der Industrie mißbrauchen lassen! Anstatt weitere, breitangelegte klinische Epi-No-Studien zu betreiben, würden wir es begrüssen, wenn dergleichen Apparaturen in Zukunft nicht mehr zum Einsatz kommen - und insbesondere nicht an Frauen ausprobiert werden.