Stillambulanz
Erfahrungen und Gedanken

von M. Pepe-Truffer
Still- und Laktationsberaterin IBCLC

Bei diesem Kurzreferat möchte ich ihnen meine Erfahrungen im Aufbau einer Stillambulanz näherbringen und einige Argumentationen zu diesem Thema liefern. Zu folgenden Fragen werde ich mich äussern:


1. Entspricht die Stillambulanz einem Bedürfnis?

Über 90% der Mütter verlassen die Krankenhäuser voll gestillt - stillen also erfolgreich. Da stellt sich die berechtigte Frage, ist eine Stillambulanz überhaupt erforderlich? Folgende Studie zeigt uns jedoch, dass viele Stillproblme häufig erst zu Hause auftreten und viele Mütter ungewollt frühzeitig abstillen.

Die Studie Stilldauer und Stillhäufigkeit in der Schweiz 1994 wurde vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Basel unter der Vorsteherin von Fr. Prof. Dr. med. U. Ackermann und unter der Studienleitung von Fr. Dr. med. C. Conzelmann durchgeführt. Es wurde 2.757 Fragebögen an Mütter mit einem 6 Monate alten Baby versandt. Die Rücklaufquote betrug 76%.

-> 44.7% der Mütter litten nach dem Wochenbett unter folgenden Stillproblemen:

Zuwenig Milch 19.0%
Wunde Brustwarzen 14.2%
Zeitweise erschöpft 10.1%
Milchstau 8.4%
Kind trank schlecht 8.2%
Bauchkrämpfe des Kindes 8.0%
Mastitis 6.5%
Total: 1882 Frauen 44.7%



Auch die Abstillgründe wurden evaluiert. Sie lassen sich in zwei Gruppen einteilen. In der ersten Gruppe sind Frauen mit tatsächlichen Stillproblemen. Bei den Frauen der zweiten Gruppe handelte es sich augenfällig um psychosoziale Probleme, wie beispielsweise, Überbeanspruchung durch die Familie, Stillen zehrt an den Kräften, usw.

Die Studie gibt auch Auskunft über die Voll- und Totalstilldauer in der Schweiz. Mit vier Monaten erhalten 48% der Babies ausschliesslich Muttermilch und die Totalstilldauer betrug 62%. Diese Beurteilung nach vier Monaten habe ich gewählt, weil WHO und UNICEF empfehlen 4-6 Monate ausschliessliches zu stillen. In der Studie wurde auch festgehalten, dass 96.7% der befragten Mütter stillen wollten.

-> Setzen wir diese Zahlen in Beziehung zueinander, stellen wir fest, dass 35% bzw. 49% der Mütter einen Misserfolg erleben, bzw. ungewollt frühzeitig abstillen.

Somit wäre klar nachgewiesen, dass die Stillambulanz einem echten Bedürfnis entspricht!


2. Welche mögliche Ziele ergeben sich aus diesen beiden Tatsachen?


3. Welche Aufgaben entstehen aus diesen Zielen?

3.1 Beratungstätigkeit
Die Beratungstätigkeit hat das Ziel Mütter mit Stillproblemen in Kriesensituationen von Geburt bis und mit Abstillen zu beraten. Diese Beratung kann sichergestellt werden durch:

die Stillberatung im Wochenbett
Dadurch ermöglichen wir den Müttern einen guten Start in die Stillbeziehung. Beispielsweise im Kantonsspital Aarau werden die Stillberaterinnen IBCLC bei Bedarf oder auf Wunsch der Mutter beigezogen. Die Stillberaterinnen stellen sich und ihr Angebot bei jeder Wöchnerin vor. Dadurch wird die Hemmschwelle der Mutter von der Stillambulanz Gebrauch zu machen, gesenkt. Eine enge Zusammenarbeit mit den Wochenbettschwestern ist sehr wichtig, damit sie die Tätigkeit der Stillberaterinnen als Ergänzung und nicht als Konkurrenz erleben. Nach jeder Beratung wir das weitere Vorgehen mit der zuständigen Pflegenden besprochen und schriftlich festgelegt.

die ambulante Beratung
In der Stillambulanz können neben der fachkompetenten Beratung auch Spezialtherapien, wie beispielsweise Lasertherapie bei wunden Brustwarzen, angeboten werden.

der Aufenthalt in einer Stilltagesklinik
In der Schweiz bietet ein Krankenhaus die Möglichkeit, dass Mütter während einem Tag die Hilfe der Stillberaterin in Anspruch nehmen können, das heisst beispielsweise, die Stillberaterin übt mit einem saugverwirrten Baby, bis die Mutter es korrekt und selbständig stillen kann.

das Erteilen von telefonischer Auskunft
Im Kantonsspital Aarau macht dies einen kleinen Anteil aus, da es sehr schwierig ist Probleme am Telefon zu erfassen. Den Müttern wird angeboten einen ambulanten Termin zu vereinbaren.

Stillvorbereitungskurse und Stilltreffen
Sofern die Mütter ganzheitlich betreut werden sollen, gehört das Durchführen von Stillvorbereitungskursen und Stilltreffen zum Aufgabenbereich der Stillambulanz.

3.2 Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Weiterbildung
Das Ziel einer interdisziplinären Zusammenarbeit besteht darin, den Müttern ein fachkompetentes Betreuungsnetz zur Verfügung zu stellen, welches sie bei Problemen umfassend betreut. Damit die Mütter einheitliche Informationen zum Thema Stillen erhalten, ist eine Weiterbildung auf diesem Gebiet klinikintern und auch für externe Fachpersonen zwingend. Widersprüchliche Informationen verunsichern die Mütter und mindern den Stillerfolg.

3.3. Öffentlichkeitsarbeit
Die Öffentlilchkeitsarbeit, dient einerseits dazu das Angebot er Stillambulanz bekannt zu machen, anderseits den Stellenwert des Stillens zu fördern und das Muttersein in einem realen Aspekt darzustellen.

3.4. Vermietung und Verkauf von Stillhilfsmitteln
Die Vermietung von Brustpumpen und Verkauf von Stillhilfsmitteln können bis zu einem Drittel des Umsatzes betragen. Sie stellen somit einen wichtigen Faktor in der Erfolgsrechnung der Stillambulanz dar.


4. Wie sehen die marktwirtschaftlichen Aspekte aus?

Marktpotential
Um kostendeckend zu arbeiten, bzw. um ein Budget erstellen zu können, wird neben den verschiedenen Kosten vor allem das Marktpotential benötigt. Auf die Kosten kann ich aus Zeitgründen nicht näher eingehen. Das ambulante Beratungspotential kann errechnet werden, indem folgende Faktoren multipliziert werden.
Dazu ein Beispiel:
Eine Klinik hat 1.200 Geburten
plus 30% = 1.560 Mütter
44.7% haben Stillprobleme = 688 Mütter
Sie benötigen 2 Beratungen = 1.396 Berat.
Eine Beratung dauert 1.25 Std. = 1.745 Stunden
Verrechungsmöglichkeit in DM = x Betrag



In der Schweiz werden im Minimum drei Stillberatungen von den Krankenkassen bezahlt. Für selbständig erwerbende Stillberaterinnen IBCLC hat der Berufsverband der Krankenschwestern SBK einen Spezialvertrag mit dem Konkordat der Krankenkassen abgeschlossen. Die in Kliniken tätigen Stillberaterinnen IBCLC können ihre ambulanten Beratungen mit der gleichen Anzahl Taxpunkten abrechnen wie die Ernähungsberaterinnen. (Wäre dieser Abrechnungsmodus eine prüfbare Möglichkeit in Deutschland?)


5. Wie kann eine Ambulanz eingerichtet werden?

Aus Zeitgründen kann ich mich leider zu dieser Frage nur kurz äusseren.
Damit sich die Mutter wohl fühlt, ist es wichtig, dass sie auf gleicher Augenhöhe sitzen wie die Beraterin und in Richtung Fenster oder Türe blicken kann. Wird ihr etwas zu Trinken angeboten, erhöht dies ihr Wohlbefinden.

Neben einem Beratungstisch, Stillstuhl, einer Brustpumpe, einer Beruhigungsmöglichkeit für das Baby, beispielsweise ein Lullababy, wird ein Wickeltisch und ein Bett, damit auch Stillen im Liegen instruiert werden kann, benötigt. Für die mitgebrachten grösseren Kinder kann eine Spielecke eingerichtet werden.

Generell wäre es ideal, wenn auch der Vater des Babys zu Beratung in die Stillambulanz mitkommen würde.

© Marliese Pepe-Truffer IBCLC

Quelle:
Ausbildungszentrum für Laktation und Stillen
www.stillen.de